Viele Patienten fühlen sich von aufkommenden Gefühlen überfordert, wenn diese im Therapieprozess hoch steigen. Oder sie haben mit somatischen Reaktionen zu kämpfen.
Beide Phönomene haben häufig mit einer sogenannten “Ich-Schwäche” zu tun.
Es geht hier hauptsächlich darum zu erfahren, dass auch heftige Gefühle Teil des Lebens sind und im Grunde nicht bedrohlich sind. Ein Stück weit geht es auch darum die Angst vor der Angst zu verlieren.
In einer Phase, in welcher der Patient mit diesen Themen konfrontiert ist, kommt es häufig zu zwei Szenarien. Patienten brechen die Therapie ab, weil sie einfach zu viel Angst vor ihrem (nötigen) Prozess haben. Oder es entwickelt sich eine große Abhängigkeit vom Therapeuten. Dieser wird von dem Patienten dann in eine Versorgerrolle gedrängt, die der Therapeut weder ausfüllen kann noch soll.
Problematisch an beiden Auswirkungsformen ist die bedauerliche Tatsache, dass der Patient auf seinem Heilweg nicht ursächlich weiter kommt, bis er dieses Thema gelöst hat.
Die einzige Möglichkeit mit dieser Thematik umzugehen, die im Fachjargon “schwache Ich-Struktur” genannt wird, ist proaktiv.
In milderen Formen fühlt sich der Patient einfach permanent durch die anfallenden Veränderungen überfordert. Veränderungen sind nur dann möglich, wenn man das Bedürfnis seinen Körper zu kontrollieren aufgibt. Dazu gehört Vertrauen in den eigenen Körper und seine Prozesse. Dieses Vertrauen fehlt vielen Patienten aber.
Der Patient kann und sollte bei gewichtigeren Formen der Ich-Schwäche lernen sich in einem geschützten therapeutischen Rahmen mit seinen Gefühlen, Unsicherheiten und Ängsten zu konfrontieren.
Typische Symptome einer schwachen Ich-Struktur können sein:
- Überforderung durch das eigene Leben
- Das ganze Leben dreht sich um die Angstabwehr: man wählt nicht das, was man eigentlich möchte, sondern das, was einem am wenigsten Angst macht.
- Man manipuliert andere dazu sich so zu verhalten, dass die eigene Angst beschwichtigt wird.
- Die Angst ist teilweise so groß, dass rationale und evidenzbasierte Argumente nicht mehr ankommen, denn der Hirnstamm (fight or flight) setzt den Frontallappen außer Kraft (der aufgrund von rationalen Argumenten bewerten könnte, ob die Angst berechtigt ist)
- Der Wunsch “an die Hand” genommen zu werden
- Die Erwartung, dass Führerfiguren (Therapeut, Politiker, Medien, Instagramm Influencer) einem das Gefühl von Sicherheit vermitteln
- Angst vor Veränderungen
- Bedürfnis nach Lob und Bestätigung
- Angst dem Körper zu vertrauen
- Gefühl vom Körper im Stich gelassen zu werden
- Bedürfnis nach Rückversicherung
- Todesangst bei aufkommenden Gefühlen
- Angst vor der Angst
- Bedürfnisse müssen sofort befriedigt werden
- Bedürfnisse müssen von anderen befriedigt werden
- Suche nach Versorgern, Projektion der Vater- oder Mutterolle auf intime und soziale Beziehungen
- Gefühle von Ablehnung, wenn Bedürfnisse nicht oder nicht sofort befriedigt werden
- Das Gefühl Opfer seiner Umstände zu sein
Nicht immer ist eine schwache Ich-Struktur im Verhältnis zwischen Therapeut und Patient problematisch.
Sollte sich die schwache Ich-Struktur im therapeutischen Verhältnis äußern, tut sie es oft auf folgende Weise:
- Der Patient ist nicht bereit oder gewillt sich mit seinen Unterlagen und seitens der Praxis übermittelten Informationen auseinander zu setzen und erwartet vom Praxisteam, dass man mit ihm jedes Wort kleinteilig und wiederholt durch geht.
- Der Patient hat das Gefühl vom Therapeuten abgelehnt und nicht gesehen zu werden, wenn der Patient sich mit den organisatorischen und juristischen Rahmenbedingungen des Verhältnisses zwischen Therapeut und Patient befassen muss.
- Der Patient empfindet unter Umständen die Aufforderung den Patientenvertrag zu unterschreiben, Termine für seine Anliegen machen zu müssen oder seine Rechnungen pünktlich zu bezahlen als Vertrauensbruch, indem er in eine kindliche Rolle schlüpft die im notwendigen geschäftlichen Umgang keinen Platz hat.
- Der Patient fühlt sich gezwungen sich bei allem wiederholt beim Therapeuten rück zu versichern. In der Therapie wird der Therapeut unter Umständen mit ständigen Nachfragen und Bitten um Rückbestätigung konfrontiert, obwohl der Patient bereits klare Informationen zu seinem Anliegen vorliegen hat.
- Der Patient denkt, dass der Therapeut für ihn ständig verfügbar sein muss. Der Patient ist bei Problemen oder Schmerzen nicht bereit auf Termine zu warten, oder hält seine Anliegen grundsätzlich für einen Notfall.
- Unter Umständen geht der Patient davon aus, dass sich das Praxisteam gegen ihn “verschworen” hätte, wenn er erst in mehreren Wochen einen Behandlungstermin bekommt, weil der Terminkalender voll ist oder die Praxis wegen Urlaubs geschlossen ist.
- Der Patient möchte mit dem Therapeuten um therapeutische Maßnahmen “handeln” oder von ihm die Erlaubnis haben, anstatt selber die Entscheidung für sein Tun oder Lassen zu übernehmen.
- Der Patient beruft sich darauf über die Behandlung nicht richtig informiert gewesen zu sein, auch wenn ihm die betreffenden Informationen deutlich zur Verfügung gestellt worden sind.
Während der betroffene Patient in der Ich-Schwäche natürlich seine Umwelt als schwierig erlebt, leidet er im Grunde am meisten darunter.
Die gute Nachricht ist, dass diese Struktur mittels therapeutischer Maßnahmen überwunden werden kann, wenn der Fokus der Therapie auf entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten liegt.