Das Überlebensprinzip

Der folgende Ausschnitt ist ein leicht abgewandelter Auszug aus Katia Trosts Buch “Nebennierenschwäche”. Er betrifft die Auswirkungen des Überlebensprinzips auf das Hormonsystem: 

Je mehr Stressoren auf den Körper einwirken, desto mehr Energie wird gebraucht. Die Nebennieren reagieren auf den entstehenden Energiemangel, indem sie die Stresshormone Kortisol und Adrenalin ausschütten und so dafür sorgen, dass unser Körper in den Energiesparmodus wechselt. Dieser Überlebensmodus kann durch jeden Stressor ausgelöst werden, er hat also nicht ausschließlich mit fehlender Nahrung zu tun. Aus Sicht des Organismus ist jeder Stressor erst einmal potentiell lebensbedrohlich und kann das Hormonsystem in Alarmbereitschaft versetzen.

Energie kann aber nicht einfach neu produziert werden, sondern muss durch Umwandlung aus einer anderen Form gewonnen werden. Unser Hormonsystem nimmt also eine gewollte Verschiebung des Hormonhaushaltes vor, damit wir trotz knapper Ressourcen zumindest überleben können. Im Überlebensmodus wird also einerseits Energie gespart, andererseits werden Depots mobilisiert, um Energie für den Körper nutzbar zu machen. Anfänglich mobilisiert der Körper Blutzuckerdepots und Fette. Notfalls müssen aber auch die Organe selber her, indem das Eiweiß der Organe in neuen Blutzucker umgewandelt wird. Die Auflösung von Zuckervorräten nennt sich Glykolyse. Wird Zucker aus Eiweißen und Fetten hergestellt, sprechen wir von Gluconeogenese.  Sobald wieder genug Ressourcen und Energie vorhanden sind, wird der Energiesparmodus beendet, die Verschiebung also aufgehoben. Denken Sie an dieser Stelle nochmal an das Handy-Modell: Sobald wir wieder „Saft“ bekommen, ist der Überlebensmodus vorbei.

Im chronischen Zustand führt diese Verschiebung zu Symptomen, die in der Regel als Störung des Hormonsystems empfunden und diagnostiziert werden. Ja, Sie haben richtig gelesen: Östrogendominanz, Schilddrüsenunterfunktionen, Nebennierenprobleme und viele andere Hormonstörungen sind von der Natur bewusst als Schutzmechanismen in Zeiten knapper Energieressourcen angelegt worden.

Unterschiede zwischen dem Überlebensprinzip und seinem Gegenstück, dem Lebensprinzip, sind in der Tabelle unten dargestellt:

Leben

  • Optimaler Zugriff auf Ressourcen
  • Leben wird aktiv gestaltet
  • Energie ist reichlich vorhanden und wird im Körper gleichmäßig verteilt
  • Schilddrüse dominiert
  • Selbstheilungskraft fließt ungehindert
  • Kein Organ oder Gewebe wird vernachlässigt
  • Fruchtbarkeit vorhanden
  • Der Mensch ist gesund

Überleben

  • Ressourcen sind knapp
  • Der Mensch reagiert auf das Leben
  • Nicht genügend Energie vorhanden, um alle Funktionen aufrecht zu erhalten
  • Nebennieren dominieren
  • Energie wird möglichst konserviert
  • Einzelne Funktionen werden vernachlässigt
  • Fruchtbarkeit eingeschränkt
  • Krankheiten können entstehen

Da die Stresshormone Adrenalin und Kortisol größtenteils von den Nebennieren produziert werden, sind die Nebennieren – hormonell betrachtet – für das Überlebensprinzip zuständig. Das Lebensprinzip seinerseits wird von der Schilddrüse aufrechterhalten. Anders ausgedrückt: Energiesparen ist Job der Nebennieren, die ideale Energieverteilung Aufgabe der Schilddrüse.

Unser Körper empfindet Energie entweder als knapp (dann konserviert er sie) oder als ausreichend vorhanden. Leben und Überleben schließen sich also gegenseitig aus. Deshalb leidet die Schilddrüsenleistung automatisch, sobald die Nebennieren dominieren – und umgekehrt.

Hieraus erahnen Sie möglicherweise schon, wie wichtig es ist, den inneren Zusammenhang und das Wechselspiel der Hormondrüsen untereinander zu verstehen und auch in einer Behandlung zu berücksichtigen.

Fazit: Energiesparen ist Job der Nebennieren, die ideale Energieverteilung Aufgabe der Schilddrüse

Bild: eigenes Werk/Canva