Da viele Patienten es manchmal schwierig finden den Zusammenhang zwischen Trauma, Traumatherapie und hormoneller Gesundheit zu erfassen, folgt hier nun ein Interview mit Lisa Schwarz, der Begründerin der Traumatherapie Comprehensive Resource Model (CRM).
Hier meine Fragen:
Katia: Was macht CRM zu einer besonderen Methode?
Lisa: Bevor ich CRM entwickelt habe, habe ich mich mit gewissen Hindernissen herum geschlagen, die eine effektive Traumatherapie verhinderten. Erstens: Die mir bekannten Therapien waren einfach nicht so effektiv wie ich mir das vorgestellt und erhofft habe- das galt sogar für moderne körper-zentrierte Traumatherapien. Auch wenn einige dieser Methoden gewirkt haben, so taten sie es nur sehr langsam. Zweitens: Retraumatisierung kann ein großes Problem sein. Drittens: Viele Therapien verlassen sich auf den Therapeuten als Hauptressource für den Prozess des Klienten. Dies kann zu einer größeren Abhängigkeit vom Therapeuten als Quelle der Bedürfnisbefriedigung führen- was genau nicht passieren sollte, wenn es um die Heilung und Reifung des Klienten geht. Dann ist mir aufgefallen, dass alle diese Probleme irgendwie mit der emotionalen Bindungsfähigkeit des Klienten verbunden waren. Während Eltern und andere enge Bezugspersonen bei Kindern für eine sichere Bindung sorgen müssen, ist dies im Erwachsenenalter nicht mehr möglich und angebracht. So wurde CRM geboren. Ich musste eine Methode finden mit welcher Erwachsene und selbst Kinder dazu in der Lage waren ihre Bindungsstörung zu heilen ohne dabei auf Bezugspersonen angewiesen zu sein. CRM ist die Kurzform für Comprehensive Resource Model (Modell mit umfassenden Ressourcen, Anm. d. Ü.). Es sind diese inneren Ressourcen, die es dem Klienten erlauben seine Bindungsstörung zu heilen. Nachdem ich dieses Problem gelöst hatte, haben sich auch die anderen Probleme in Luft aufgelöst. Jemand der in seiner Bindung sicher ist (vor allem zu sich selber), kann sich allem entgegen stellen, was ihm das Leben entgegen wirft. Dies ist der einzige Weg damit sich das Nervensystem sicher genug fühlt Traumata wirklich los zu lassen. Traumata können so schneller heilen und Retraumatisierung ist auch kein Thema mehr.
Katia: Es scheint mir in der Praxis so, als wäre CRM eine Methode welche Menschen dabei unterstützt die Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen, ist das so beabsichtigt?
Lisa: Ja, unbedingt. Innere Kinder als ein Weg alte Konflikte und Ego-Zustände greifbar zu machen sind heute in der Psychologie weitestgehend akzeptiert. Allerdings sollten diese verletzten inneren Kinder nicht für immer existieren. In einem gesunden Erwachsenen integrieren sich diese Kinder. Wer nur in der Vergangenheit lebt kann schwer erwachsen werden. Zwar mögen Kinder und Erwachsene die gleichen Bedürfnisse nach Liebe, Sicherheit etc. haben. Was sich ändert, ist die Verantwortung diese Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Kinder haben ein Recht darauf Ihre Bedürfnisse von äußeren Bezugspersonen erfüllt zu bekommen. Erwachsene sind zunächst einmal selber dafür verantwortlich ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Während die Teilnahme an gesunden Beziehungen sicherlich erfüllend ist und auch ein Teil der menschlichen Existenz, werden Erwachsene, anders als Kinder, bei Beziehungslosigkeit weder vom Tod bedroht noch von emotionaler Dysfunktion. Nur Menschen, die emotional erwachsen sind, können im Leben ihr höchstes Potential erreichen- etwas wovon viele zwar träumen aber oft nicht erreichen können.
Katia: In meiner Praxis verwende ich CRM regelmäßig bei der Bewältigung körperlicher Störungen- es ist auch die beste Methode die ich diesbezüglich bisher kennen gelernt habe. Kannst Du mir erklären warum CRM sowohl bei psychischen als auch körperlichen Problemen eingesetzt werden kann?
Lisa: Traumata werden durch unerträgliche Affekte herbeigeführt, z.B. die Angst zu sterben. Diese Gefühle zirkulieren nicht nur im Nervensystem. Sie lösen auch eine biochemische Reaktion aus, indem Neurotransmitter und Hormone ausgeschüttet werden. Und Hormone sind, wie Du weißt, für sehr viele Funktionen im Körper zuständig. Eine Eigenschaft einer sogenannten Traumaschleife ist die unendliche Wiederholung des oben genannten unerträglichen Affektes. Indem die meisten traumatischen Erlebnisse für eine Weile im Nervensystem verweilen, können sich diese biochemischen Veränderungen leicht als gesundheitliche Probleme manifestieren, insbesondere durch funktionelle Probleme (also dort, wo (noch) keine organische Schäden vorliegen, Anm. d. Ü.). Demnach kann sich die Biochemie wieder beruhigen, sobald das Trauma aufgelöst wurde, wodurch auch die Gesundung unterstützt wird.
Anmerkung: Wer jetzt denkt, er hätte keinerlei Bindungsstörung, hat nicht unbedingt recht. Bislang hatte ich noch keinen einzigen Klienten in der Trauma Therapie, der nicht auf die eine oder andere Weise betroffen war. Selbst wenn die Eltern es gut meinten und die eigene Erinnerung einem sagt, man hätte eine “gute” Kindheit gehabt, so hat es für eine wirklich einwandfreie Bindung meist nicht gereicht. Aus Bindungsstörungen müssen sich im späteren Leben auch nicht unbedingt schwere psychische Störungen entwickeln. Meistens wird man das, was unsere Gesellschaft als “normal” ansieht. Ein Mensch mit Selbstzweifeln, Minderwertigkeitskomplexen, abgespaltenen Gefühlen und so weiter. Halbwegs in ihrer Struktur sichere Menschen tragen diese Themen natürlich nicht sichtbar vor sich her. Viele meiner Patienten sind nach außen vernünftig, erfolgreich, liebevoll, selbstbewusst und verantwortungsbewusst. Doch im Unterbewusstsein sitzen dennoch die genannten Themen und das Hormonsystem zeigt dies gnadenlos auf. Bindungsstörungen sind leider so normal, dass ihnen kaum eine Gewichtung beigemessen wird und kaum einer würde sie als Trauma bezeichnen. Dabei sind Bindungsstörungen DAS Urtrauma. Man schaue sich in der Welt um. Warum ist sie so wie sie ist? Warum dachte Napoleon er müsste tausende Soldaten in den russischen Winter schicken? Weil er so sehr mit sich zufrieden war? Warum hat Hitler Juden als den Feind betrachten müssen? Warum unterwerfen sich Frauen Schamlippenkorrekturen? Weil sie denken sie seien ganz natürlich wunderbar? Warum haben wir es als Menschheit immer noch nicht geschafft unsere Böden, Wälder, Kinder und Ressourcen zu schützen? Warum geben die meisten Menschen für Genussmittel wie Alkohol, Schokolade etc. gerne Geld aus, nicht jedoch für Heilbehandlungen? Warum muss die Figur vor der Gesundheit stimmen sodass aus jedem Pfund extra ein Drama wird? Warum erleben die meisten Menschen Partnerschaft als Quelle des Leids oder als unbefriedigend? Da läuft doch was nicht richtig, oder? Eben. Das ist die Bindungsstörung. Es geht hier vor allem um die Bindung zu sich selbst. Ist diese sicher, strahlt das in Beziehungen und in die Gesellschaft aus.
Aus meiner Sicht sollte jeder Patient sich darauf einlassen seine Bindungsfähigkeit zu überprüfen. Ich bin von der Notwendigkeit einer Behandlung so überzeugt, dass ich Traumatherapien für jeden Patienten als Baustein der Behandlung vorsehe, auch wenn ich mittlerweile meine eigene Methodik der Traumatherapie entwickelt habe, die aber einige Elemente des CRM enthält.
Quelle Bild: By Dubnevesht – Own work, CC BY-SA 3.0, Wikipedia