Viele Patienten erhoffen sich durch eine hormonelle Balance die wundersame Heilung ihrer Stimmungsschwankungen, Depressionen, PMS oder Ähnliches. Während emotionale Zustände durchaus von Hormonen ausgelöst werden können, so sind sie dennoch nicht ihre eigentliche Ursache.
Wer denkt durch eine hormonelle Balance seine psychischen Probleme wirklich los zu werden, wird letztendlich enttäuscht werden. Sehr oft denken gerade Frauen sich in der Zeit vor ihrer Regel nicht mehr wieder zu erkennen. Sie sagen dann „ich bin dann ein anderer Mensch“. Nun, das sind sie nicht. Was ist passiert? Warum werden scheinbar sanftmütige Frauen vor ihrer Regel plötzlich weinerlich, zickig, wütend etc.? Ein gut reguliertes Hormonsystem, sprich, gute Stressresistenz, sorgt dafür, dass das Unterbewusste weniger stark wahrgenommen wird. Dies ist schließlich eine Hauptaufgabe des Hormonsystems. Je übermächtiger nun die Nebennieren werden, desto stärker wird in der Regel auch das Östrogen. In dieser Kombi kann das Unterbewusste irgendwann in der Zeit vor der Regel nicht mehr „weg“ gedrückt werden.
Akuter Stress drückt viel weg, lang andauernder oder übermächtiger Stress kann nicht mehr weg drücken. Besonders, wenn sich die Nebennieren erschöpfen. Das heißt also, dass die Gefühle, die während des PMS oder eines Burn-outs in etwa zutage kommen, ansonsten auch vorhanden sind. Sie werden nur nicht wahrgenommen. „Behandelt“ man nun die Stimmungsprobleme mit Hormonen „weg“, ist das Problem nicht an der Wurzel gepackt, selbst wenn man sich zunächst besser fühlt.
„Aus den Augen aus den Sinn“ ist dabei grundsätzlich eine sehr kurzfristig erfolgreiche Strategie. Denn das Unterbewusstsein findet immer Mittel und Wege sich auf andere Weise Luft zu verschaffen. Meistens sind die Auswirkungen dann weniger freundlich als nur ein paar Stimmungsschwankungen. Nach dem Motto: „Wer nicht hören will muss fühlen“, muss dann möglicherweise mit Symptomverschiebungen in die materielle Ebene hinein (Gewebe, Organe) rechnen.
Eine naturheilkundliche Regel besagt, dass eine Pathologie in den Gedanken und Gefühlen anfängt, sich aber in die Materie hinein manifestiert, sollte der Konflikt auf der Emotional- oder Mentalebene nicht gelöst worden sein.
Es gibt einen Mittelbereich, in welchem durch Stress emotionale Konflikte gut weg gedrückt werden können. Adrenalinjunkies und Workaholics, aber auch jede Magersüchtige kennt diesen Effekt. Bei zunehmender Schwäche gelingt die Verdrängung aber nicht mehr. Dann heißt es, man wäre über Nacht ein anderer Mensch geworden (Nebennieren können innerhalb weniger Tage zusammen brechen). Natürlich hat sich das Problem schon seit Jahren und Jahrzehnten angebahnt und ist nicht einfach aus heiterem Himmel gefallen.
Doch auch bei zunehmender Gesundung wird der Körper Gefühle stärker zutage fördern. Heilung bedeutet schließlich, dass Dinge aus der Versenkung geholt werden, u.a. auch Gefühle. Das gilt für gute sowie schlechte Gefühle. Während die guten Gefühle dankend angenommen werden, gilt das für die schlechten Gefühle meist nicht. Hier wird dann sehr gerne behauptet, dass diese Gefühle “nicht zu einem gehören würden”, schließlich hatte man sie ja auch früher nicht (hier wird das Prinzip der Verdrängung verkannt). Interessanterweise behauptet dies kein Patient in Bezug auf einen Zuwachs an Lebensfreude, Selbstsicherheit etc.
Kommen innerhalb der Behandlung negative Gefühle hoch, verwechseln viele Patienten eine an sich gute und vor allem notwendige Heilungsreaktion mit einer schlecht laufenden Therapie. Statt die Chance zu nutzen sich unerledigte Themen anzuschauen, wollen viele ihre Emotionen einfach nur schnell wieder weg haben. Patienten, die grundsätzlich verstanden haben, dass ihre Gefühle nicht willkürlich sind, kommen dann aber nicht selten auf die Idee, man müsse schließlich wegen diesem oder jenem aktuell leistungsfähig, präsentabel oder sonst was bleiben (mit anderen Worten: sie wollen zwar die Heilung sofort, doch die Bearbeitung der Gefühle soll später kommen). Doch so funktioniert Heilung leider nicht. Wer wirklich Heilung will, muss sich nicht irgendwann, sondern so bald wie möglich auch Schmerz, Wut und Trauer anschauen. Dann gibt es auch keinen Stimmungstief mehr vor der Regel. Oder die Depression im Burn-out. Man kann also Stimmungsschwankungen bei PMS durchaus als Frühwarnsystem und monatlichen Check-up verstehen, der nur Frauen im gebärfähigen Alter zur Verfügung steht und nicht als Schicksal oder Strafe.
Im Übrigen gibt es mittlerweile ein großes Forschungsgebiet im Bereich der Orthomolekularen Medizin, die sich auch mit der Wirkung von Aminosäuren und Mikronährstoffen auf die Psyche beschäftigt. Während kein Zweifel besteht, dass es auch hier Wechselwirkungen zwischen Körper und Emotionen gibt, gilt hier ebenso das oben Gesagte. Es kann nichts durch Nährstoffmängel “erschaffen” werden, was nicht tief in der Psyche bereits vorhanden ist. Aminosäuren und Mikronährstoffe unterstützen den Körper darin Energie herzustellen. Energie ist eine Grundvoraussetzung für Heilung. Sie ist aber kein Ersatz für den Prozess der Aufarbeitung von Gefühlen.
Bildquelle: Von SunnyChow – http://zh.uncyclopedia.info/wiki/圖像:維基子的怒火.png, CC BY-SA 3.0, Wikipedia